Impuls zum 7. Juni 2020
Von Christine Dehmel (Karlsruhe), Mitglied des Erweiterten Vorstands in Freiburg
Gedanken zur Gemeinschaft des Heiligen Geistes
Zweite Lesung (2 Kor 13,11-13)
Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Schwestern und Brüder,
freut euch,
kehrt zur Ordnung zurück,
lasst euch ermahnen,
seid eines Sinnes
haltet Frieden!
Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.
Grüßt einander mit dem heiligen Kuss!
Es grüßen euch alle Heiligen.
Die Gnade des Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen!
Zu schön …
In den besinnlich stimmenden Worten der heutigen Lesung (nach katholischer Leseordnung) erinnert uns der Heilige Geist wieder an die Botschaft Jesu, die Botschaft der Verbundenheit.
Liebe, Frieden, Gnade, Gemeinschaft – schöne Worte, große Worte. Und bei pax christi ringen wir immer wieder darum, diese Worten Taten zu verleihen, damit sie nicht verdorren.
Gemeinschaft des Heiligen Geistes?
Mit Blick auf die Situation in USA und Brasilien fragt man sich allerdings schon mal, ob die Machthaber dort nicht von allen guten Geistern verlassen sind. Die Corona-Krise wirkt in mancher Hinsicht wie ein Brennglas; vieles, was zuvor in gewisser Unschärfe da war, bekommt klare Konturen. Vor allem in New York sind es die Armen, die an Covid-19 erkranken (die zumeist weißen Reichen haben sich auf den Landsitz gerettet). Zu den Armen zählen überproportional häufig farbige Menschen, die wirtschaftlich schlechter dastehen (häufig ohne Krankenversicherung) und immer wieder Opfer von weißer, männlicher Gewalt werden. Und in Brasilien erkranken und sterben viele der Ureinwohner*innen Amazoniens, was dem Präsident Bolsonaro im Hinblick auf die Abholzung des Regenwaldes ganz gelegen kommt.
#leavenoonebehind?
Der Hashtag ist Verkündigung in gesellschaftspolitischer Sprache. Der eine Gott verbindet uns alle miteinander; wenn ein Glied leidet, dann leiden alle. Die transparenter werdenden Zusammenhänge der Globalisierung zeigt, dass die Menschheit aufeinander angewiesen ist, um in Frieden leben zu können. Und noch mehr: Jesus Christus fordert uns heraus, uns auf die Seite der Armen zu stellen.
Eine befreiende Theologie
Auf der 3. Generalkonferenz der lateinamerikanischen Bischöfe Anfang 1979 in Puebla bestätigte die römisch-katholische Kirche von Lateinamerika die "Option für die Armen" als angemessenen Ansatz für die christliche Soziallehre. Die Bischöfe formulierten ein 'evangelisatorisches Potential der Armen‘, worin sich zumindest indirekt der Gedanke von der sakramentalen Gegenwart Christi in den Armen äußert. Die Befreiungstheologen Ignacio Ellacuría und Jon Sobrino gehen noch einen Schritt weiter. Sie erklären die Armen zum wichtigsten Instrument des Heils: „Die christologische Dimension der Armen besteht darin, dass Jesus den letzten Grund der Rettung oder der ewigen und endgültigen Verdammung in das legt, was man ihm getan hat oder nicht getan hat, und was man seinen geringsten Brüdern getan hat oder nicht getan hat" (Ellacuría). In der Umsetzung zeigt sich Heil bzw. Unheil sich darin, wie wir mit den Armen umgehen, welchen Stellenwert wir ihnen in Kirche und Gesellschaft geben, welche Würde wir ihnen zuerkennen.
Strukturelle Gnade
Die Perspektive der Armen soll in den Mittelpunkt des christlichen politischen und sozialen Handelns gestellt werden! Es gilt, das evangelisatorische Potential der Armen zu entdecken, da sie die Kirche ständig vor Fragen stellen und zur Umkehr aufrufen. Sobrino spricht von der „strukturellen Gnade“: „Die Dritte Welt enthält ein Potential der Vermenschlichung, weil sie (…) folgende Werte anbietet: Gemeinschaft statt Individualismus, Einfachheit anstatt Überfluss, Dienstbereitschaft anstelle von Egoismus, Kreativität anstelle von aufgedrängter Nachahmung, Feier anstelle von bloßer Zerstreuung, Offenheit gegenüber der Transzendenz anstelle von geistig stumpfem Pragmatismus.“
Aus Sicht der Befreiungstheologie sind die Armen Träger und Verkünder der Heilsbotschaft. Sie sind moderne Prophetinnen und Propheten und dabei genauso wegweisend wie unbequem. In ihrem Angewiesensein offenbart sich strukturelle Gnade; es wird deutlich, was uns wertvoll ist und wofür sich der Einsatz lohnt. Es wird auch schmerzhaft bewusst, was auf der Strecke bleibt. Es sind die Gesichter der Armen, in denen sich Christus zeigt, der uns fragend und fordernd anspricht. Das zu erkennen ist Gnade.
Gebet
Soviel Gewalt, Gott, soviel Streit,
soviele Feuer, die vernichten,
Deine ganze Schöpfung,
wir alle brennen unter den Kriegen, die Menschen,
die wir gegeneinander führen.
Gib uns in dieser Stunde, so bitten wir Dich,
neue Gedanken, die aufstehen gegen die Verführung zur Gewalt.
Lösch Du das Feuer unseres Hasses.
Gib uns von Deinem Feuergeist, der uns zum Leben verführt und zum Frieden.
Darum bitten wir in Erinnerung an Jesus, der mit Dir lebt und Leben schenkt. Amen.
Wilhelm Bruners
Anregung
Vielleicht gehst Du mit geschärftem Blick in diese Woche und nimmst die Menschen wahr, die Dir begegnen.
Wo sind die Armen in meiner Nähe?
Wo werden Menschen meiner Nachbarschaft, meiner Gemeinde, meiner Stadt ausgegrenzt, nicht wahrgenommen?
Welche Botschaft verkünden sie mir?
Und wie bei Exerzitien auf der Straße erstmal beim Wahrnehmen bleiben, bei den Gefühlen, die sie in Dir auslösen.
Dann mag es zu Reaktionen kommen, zur Antwort auf die Gnade, die uns in den mit uns verbundenen Menschen entgegenkommt.
Segen
Der dich mit Glück erfüllt, mit Liebe umfängt,
der dich trägt und nicht fallen lässt,
der segne dich.
Dass seine Hilfe dich hält und er mit seiner Güte
dich behütet Tage und Nächte.
Dass du ein Glück wirst für Menschen in Angst und Not
und Gott an deiner Seite lebt -
zum Glück für Himmel und Erde.